Klinische Entscheidungsunterstützung

Die Integration von KI-Algorithmen in die klinische Routine ist bisher eingeschränkt. CAIMed erforscht methodische Herausforderungen bei der Evaluation von Informatikdiagnostika, der Synthese von maschinengelernten und evidenzbasierten Entscheidungsmodellen, dem Umgang mit kontinuierlich lernenden Algorithmen und der Integration von KI-Modellen in klinische Prozesse, einschließlich hybrider Modelle mit ontologischem Domänenwissen ( Gruppe Menschenzentrierte KI) und Erklärbarkeits-Komponenten.

Die Evaluierung erfolgt durch Studien mit Anwendern, Usability-Tests mit Prototypen, prospektive Diagnosestudien, simulierte Randomisierte Kontrollierte Studien (RCTs), synthetische Daten und vergleichende klinische Studien im Bereich Infektionsmedizin in der Pädiatrie. Dabei werden semantisch integrierte, heterogene medizinische Daten verwendet, insbesondere vom Medizinischen Datenintegrationszentrum der MHH. Die Erstellung hybrider Modelle und deren interdisziplinäre Interpretation erfolgt in Zusammenarbeit mit der Gruppe Menschenzentrierte KI. In der Evaluation kooperiert die Gruppe eng mit der Gruppe  Statistische Evidenz in KI-Systemen.

Use Cases

Infektion und Sepsis assoziierte Multiorgandysfunktion (MODS) und -Versagen (MOV) im Kindesalter

Die Versorgung von Patientinnen und Patienten auf der Kinderintensivstation stellt aufgrund der Heterogenität, der unterschiedlichen Altersstufen, der Komplexität und Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufs eine besondere Herausforderung dar. Schwerwiegende und komplizierte klinische Verläufe bei kritisch kranken pädiatrischen Patientinnen und Patienten führen häufig zu partiellen oder kompletten Multiorganversagen (MODS). Wenn dieses nicht nur temporär, sondern terminal auftritt, kann es zum Tod des Individuums führen. Liege- und Beatmungsdauer, Morbidität und Mortalität, ebenso wie das das Auftreten schwerer, zum Teil lebenslimitierender Langzeitkomplikationen werden maßgeblich durch das Auftreten eines MODS beeinflusst. 

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, aus der Vielzahl quantitativer klinischer Routinedaten frühzeitig Prädiktoren für komplizierte Krankheitsverläufe und spätere Morbidität und Mortalität zu identifizieren. Die spezifischen Auswirkungen der Erkrankung auf die verschiedenen betroffenen Organsysteme zuverlässig vorherzusagen, ist ebenfalls schwierig. Diese Unsicherheit verhindert eine effiziente und schnelle Behandlung der Organdysfunktion und das Fortschreiten bis zum Organversagen, was unerwünschte Folgen für die betroffenen Patientinnen und Patienten haben kann. 

Auf Basis eines in den letzten Jahren aufgebauten, multimodalen und interoperablen, hochkomplexen Kinderintensivdatensatzes soll dieses Projekt genau diese Fragen adressieren. Ziel ist es, mögliche kausale Zusammenhänge in den Krankheitsverläufen zu identifizieren, die das Entstehen und den Verlauf des MODS bestimmen. 


Nosokomiale Sepsis auf der Kinderintensivstation

Die Infektion und die daraus möglicherweise entstehende Sepsis stellen ein erhebliches Problem im Management kritisch kranker Intensivpatienten dar und betreffen sowohl Erwachsene als auch Kinder aller Altersklassen. Sepsis als nosokomiale Infektion, also als Komplikation der Behandlung, betrifft per Definition Patienten, die bereits aus anderen Gründen schwer erkrankt sind. Das Auftreten einer nosokomialen Sepsis beeinflusst im engen Zusammenspiel mit der zugrunde liegenden Erkrankung des Intensivpatienten maßgeblich die Morbidität und Mortalität. Die frühzeitige Erkennung ist besonders wichtig, um die Progression zum septischen Schock zu verhindern, wodurch dieser Anwendungsfall von großer klinischer Relevanz ist. 

Einige Risikofaktoren für die Entwicklung der nosokomialen kindlichen Sepsis, wie das Vorhandensein eines zentralvenösen Katheters oder eine invasive Beatmung, sind heute gut bekannt. Das genaue Zusammenspiel weiterer möglicher Einflussfaktoren und die Mechanismen des Überganges von einer Infektion zu einem septischen Krankheitsbild sind jedoch noch nicht ausreichend verstanden.  

Die Implementierung KI-basierter Prediktionsmodelle könnte eine frühzeitige Therapie ermöglichen und die negativen Auswirkungen der Erkrankung auf das Outcome der kritisch kranken Kinder mildern. Basierend auf umfangreichen Vorarbeiten im Rahmen des vom Bundesgesundheitsministerium von 2020-2023 geförderten ELISE-Projekts und in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit anderen Projektgruppen, sollen nun in diesem Use Case kausale Methoden angewandt werden, um das Verständnis und das Wissen um die Pathophysiologie und der Ursachen der nosokomialen Sepsis zu verbessern. Ziel ist es, mögliche frühe Anzeichen zu identifizieren, die zur Entwicklung und Verbesserung klinischer Entscheidungsunterstützungssysteme zur Prädiktion der Sepsis beitragen könnten.  


Inflammation und Infektion bei Kindern nach Operation kongenitaler Herzfehler

Kardiochirurgische Operationen an Kindern unter Zuhilfenahme der Herz-Lungen-Maschine (HLM) führen zu einer tiefgreifenden Modulation des reifenden kindlichen Immunsystems und erzeugen häufig ein komplexes Mischbild aus Inflammation und Immunparalyse. In der Folge entwickeln einige dieser hochvulnerablen Patientinn und Patienten postoperative Infektionen und assoziierte Organfunktionsstörungen, die maßgeblich die Morbidität und auch Mortalität beeinflussen. Die genauen klinischen, prozeduralen und immunologischen Faktoren, die zu dieser Dysbalance und deren Folgen beitragen, sind noch nicht vollständig verstanden.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, planen wir, standardisiert und interoperabel aufbereitete und angereicherte klinische Routinedaten zu analysieren. Die Nutzung des bereits vorhandenen, großen maschinenlesbaren Datensatzes mit Outcome-Labeln soll durch die fortlaufende Anreicherung der Datenbasis und die Anwendung kausaler Methoden zu neuen Erkenntnissen führen. Diese umfassen:

  • Die Identifikation von Patientengruppen mit hohem Risiko für postoperative Infektionen.
  • Die Identifikation sensitiver Frühindikatoren im komplexen intensivmedizinischen Setting nach HLM-Einsatz.
  • Die datengestützte Planung und Auswertung von Studien zur molekularen Charakterisierung, beispielsweise mittels Multi-Omics-Analysen.

Diese Ansätze zielen darauf ab, sowohl prädisponierende Faktoren für postoperative Infektionen präziser zu definieren als auch frühe Anzeichen von Infektionen besser zu identifizieren. Dies könnte zukünftig eine zielgerichtete, individualisierte Behandlung frühzeitig zu ermöglichen.


Team

Prof. Dr. Philipp Beerbaum, MHH

Mentor

PD Dr. med. habil. Thomas Jack

Gruppenleiter

Louisa Bode

Gruppenmitglied

Marcel Mast

Gruppenmitglied